Was hat sich mit der
Corona-Pandemie verändert?
„Nachhaltig gesund“ war das Motto zur Auftaktveranstaltung der Kompetenzreihe Arbeitsmarkt 2023 im Berufsförderungswerk Thüringen in Seelingstädt. Gemeinsam mit Vertreter:innen der Reha-Träger wurden Impulse zum Thema Gesundheit gesetzt – in der beruflichen Rehabilitation und auch für jeden Einzelnen.
Wir leben in einer dynamischen Zeit: Es passiert so viel um uns herum – manchmal scheint es schwer, mit allem Schritt zu halten. In dieser schnelllebigen Welt spielt unsere Gesundheit eine immer wichtigere Rolle – schließlich ist sie die Grundlage für ein erfülltes Leben. Das gilt nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Gesellschaft und unsere Arbeit.
Gesundheit ist nach wie vor ein zentrales Thema
Werfen wir einen Blick auf die vergangenen Jahre, so sind es vor allem die politischen und sozialen Entscheidungen während der Corona-Pandemie, die unser Verständnis von Gesundheit neu geformt haben. Die Folgen dieser besonderen Zeit sind bis heute deutlich spürbar. Ein neues Bewusstsein ist auch im Arbeitsleben angekommen.
Was bedeutet das für die berufliche Rehabilitation?
Um auf diese Frage einzugehen, haben wir uns gemeinsam mit Vertreter:innen der Reha-Träger auf einen wissenschaftlichen Exkurs begeben. Im Rahmen der Kompetenzreihe Arbeitsmarkt im BFW Thüringen gab Frau Prof. Dr. Sandra Meusel Einblicke in aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung zu diesem Thema. Sie ist Studiengangsleiterin für Soziale Arbeit (BA) und Professorin für Soziale Arbeit an der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera.
5 wichtige Impulse aus der Wissenschaft
1 Rückblick: Die Corona-Maßnahmen haben unseren Alltag maßgeblich beeinflusst.
Die COVID-19-Pandemie hat unser Leben in vielerlei Hinsicht verändert. Die Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit waren allgegenwärtig und beeinflussten unseren Alltag. Maskenpflicht, Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen waren nur einige der Maßnahmen, die wir befolgen mussten. Diese haben auch zu einer Polarisierung in der Gesellschaft geführt, die aufgrund der langanhaltenden Ausnahmesituation bis heute spürbar ist. Auch die berufliche Rehabilitation bleibt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht verschont. Der Umgang damit ist nicht immer einfach und erfordert eine intensive Auseinandersetzung. Vor diesem Hintergrund hat sich eine individuelle Beratung als notwendiges und wertvolles Instrument bewährt.
2 Die Studienlage ist (noch) nicht eindeutig.
Die Thematiken Corona und auch Post-Covid sind Gegenstand intensiver Forschung und Diskussionen. Auch die Wissenschaft hat die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen bis heute aus verschiedenen Perspektiven begleitend beobachtet und erforscht. Die Daten und Zahlen, die die Studien bislang liefern, lassen noch keine eindeutigen Aussagen zu. Das liegt vor allem daran, dass die Zusammenhänge vielschichtig sind. Man spricht von „zirkulären Zusammenhängen“: Viele Ursachen wirken gemeinsam. Die Studien sind in ihrer Methodik nur bedingt vergleichbar und stets im Kontext der Art der Datenerhebung zu betrachten. Zudem sind viele Erhebungen noch nicht abgeschlossen. Erst zukünftig können verwertbare Aussagen und ein differenziertes Bild aufgezeigt und letztlich bewertet werden.
3 Wir spüren die psychosozialen Folgen der Corona-Maßnahmen.
Das eingeschränkte Leben während der Pandemie hat Spuren hinterlassen. Ein zentraler Belastungsfaktor war die soziale Isolation im Lockdown. Sorgen, Ängste und Bewegungsmangel haben sich auf die seelische Gesundheit der Menschen ausgewirkt. In dieser schwierigen Zeit hatten viele Menschen nicht genügend eigene Ressourcen zur Verfügung. Es fiel schwer, die persönliche Lage zu erkennen und darüber zu sprechen. Oft wurden die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt und das führte zu emotionaler Überforderung. In diesem Spannungsfeld liegt es nahe, dass sich der Druck in Rückzug, Depression, Gewalt oder Suchtmittelkonsum entladen konnte. Obwohl die Forschung noch keine klaren Ergebnisse liefert, gibt es Hinweise darauf, dass in dieser Zeit mehr Alkohol und Tabak konsumiert wurden.
4 Einsamkeit – der Belastungsfaktor im ersten Pandemiejahr.
Die Corona-Pandemie hat uns vor ungekannte Herausforderungen gestellt. Während in der ersten Phase noch eine hohe Resilienz in der Gesellschaft herrschte, sah es im Winter 2020/21 anders aus. Der zweite Lockdown brachte für viele Menschen große Schwierigkeiten mit sich. Durch die verordnete Isolation von Freunden und Familien, fühlten sich viele Menschen einsam. In dieser Situation wurde die Gefahr einer Depression real. Menschen mit psychischen Vorbelastungen hatten es zum Beispiel schwer, sich an den veränderten Alltag anzupassen. Da es schwieriger war, an persönliche Hilfe und Beratung zu kommen, hat sich dieser Effekt noch verstärkt. Deshalb gibt es nun andere Anforderungen an die Unterstützung, die ihnen zur Verfügung gestellt werden muss. Daneben wirkte sich insbesondere der spezifische Charakter der Bedrohung durch Covid-19 aus: diese ist in ihrer individuellen Stärke kaum einschätzbar, was wiederum zu verstärkten Ängsten führen konnte.
Unsere wichtige Aufgabe in der beruflichen Rehabilitation ist weiterhin, den Menschen Perspektiven aufzuzeigen.
Wir helfen, das Erlebte aktiv zu verarbeiten und Mut für eine neue berufliche Zukunft zu machen.
Es ist unsere Aufgabe, denjenigen zur Seite zu stehen, die Hilfe benötigen:
mit einem interdisziplinären Team verschiedener Professionen.
5 Was wir tun können
Es ist wichtiger denn je, die Menschen auf ihrem Weg zur Teilhabe am Arbeitsleben individuell, flexibel und nachhaltig zu begleiten. Dazu gehört:
- Hilfestellungen zu geben, um die eigenen Gedanken und Emotionen zu verstehen,
- Lösungen anzubieten, die an vorhandene Bewältigungsstrategien anknüpfen,
- durch individuelle Unterstützung die Teilnehmenden in ihrer Entscheidungsfindung zu stärken und Barrieren abzubauen,
- Förderung digitaler Kompetenzen zum Austausch und zur Vernetzung.
Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass persönlicher Kontakt und Beratung unersetzlich sind. Die Aufarbeitung der Maßnahmen in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft hat gerade erst begonnen und wird uns noch eine Weile begleiten. Erste Studien liegen vor und lassen erste Tendenzen erkennen. Wir leben in einer Zeit des Wandels und der Herausforderungen – aber auch der Chancen. Es liegt an uns, diese zu nutzen, um unsere Zukunft nachhaltig gesund zu gestalten.
Quellen
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Abhängigkeitserkrankungen. In Nervenarzt 2021; 92(6): 571-578 - Behringer, Noëlle (2021): Mentalisieren in der Heimerziehung. Eine qualitative Untersuchung zu reflexiven Prozessen bei pädagogischen Fachkräften. Wiesbaden: VS.
- Böhnisch, Lothar (2016): Lebensbewältigung. Ein Konzept für die Soziale Arbeit. Weinheim und Basel: Beltz.
- Breusing, Mia (2022): Corona kontrovers III Maßnahmen und Folgen. Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag.
- Civey-Studie: Süddeutsche Zeitung (2020): Sorgen um die Spaltung der Gesellschaft. In: Süddeutsche Zeitung. Online: https://www.sueddeutsche. de/kolumne/corona-politiksorgen-um-die-spaltung-der-gesellschaft-1.5035807
- Entringer, Theresa; Kröger, Hannes (2020): Einsam, aber resilient – Die Menschen haben den Lockdown besser verkraftet als vermutet. DIW Berlin. Online verfügbar: https://www.diw.de/de/diw_01.c.791408.de/publikationen/diw_aktuell/2020_0046/einsam__aber_resilient_____die_menschen_haben_den_lockdown
_besser_verkraftet_als_vermutet.html - Haas, John G. (2020): COVID-19 und Psychologie. Mensch und Gesellschaft in Zeiten der Pandemie. Wiesbaden: Springer.
- Heide, Marie Sophie; Bauer, Jana; Hagen, Björn; Otto-Albrecht, Manfred; Schiller, Jonathan; Niehaus, Mathilde (2023): Lernen von der Covid-19-Pandemie: Handlungsfelder für eine zukunftsfähige Gestaltung der ambulanten beruflichen Rehabilitation. In: Rehabilitation 2023 62: 9-12
- Meusel, Sandra (2022): Lebensbewältigung. Socialnet Lexicon. Online verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/
- Nischk, Daniel; Voss, Martin (2021): Die Auswirkungen des Corona-Shutdowns im März/April 2020: Der Zusammenhang zwischen Alltagsverhalten und psychischer Belastung bei psychisch Vorerkrankten und Gesunden. In: Fortschr Neurol Psychiatr 2021; 89: 302–307 DOI 10.1055/a-1348-1242
- Suhren, Eva; Dewitz, Maria von; Bodemer, Nicolai; Lohmann, Katrin (2021): Forschungsaktivitäten zu den Auswirkungen von COVID-19 auf den Substanzkonsum, die Entwicklung von Verhaltenssüchten sowie das Suchthilfesystem. Berlin: Institut für Innovation und Technik.